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ADHS-ler in Zermatt

Mit Ikea-Taschen nach Zermatt

Wir sind ein Paar im besten Alter und freuen uns schon ganz fest das auf das Unplugged-Konzert mit Amy Macdonald in Zermatt. Ja, wir wissen, es kostet uns ein halbes Vermögen. Aber zwischendurch darf das auch mal sein. Zermatt ist unschlagbar teuer, und das vor allem wegen seines Berges, dem Horu. Das autofreie Zermatt ist pure Entspannung. Und auch die Millionäre hier haben es nicht nötig, ihren Reichtum zur Schau zu stellen. Ebenso ist das Skigebiet einfach nur schön. Und das war der zweite Grund für unsere Buchung.

Die Anreise mit Auto nach Täsch

Die Anreise nach Zermatt sollte eigentlich nur mit dem Zug unternommen werden. Sie ist schneller und bequemer. Das zwingt einem nur das Nötigste mitzunehmen. Aber, was ist, wenn man gar noch nicht so sicher ist, wie das Wetter wird. Um gut gerüstet zu sein, haben wir sowohl Wander-, Ski- und Badeausrüstung für den Spa mit dabei, vielleicht etwas mehr als das normal Reisende tun. Und das geht eben nur mit dem Auto, das ein Dorf weiter unten geparkt werden muss.

Wir parken das Auto also in Täsch und nehmen den Shuttle-Zug ins autofreie Zermatt. Skier und Skischuhe lassen wir noch im Parkhaus. Mit fünf weiteren Gepäckstücken (einer IKEA und Migros-Tragtasche, kleinem Rollkoffer und zwei Rucksäcken) fallen wir auf. Schick ist etwas anders. Aber es hat Platz für uns Exoten. Wir gehen alles zu Fuss, volle ¾ Stunden den Berg hoch bis zu unserem ruhig gelegenen Hotel am Dorfrand. Einen Bus gibt es leider nicht mehr um 21:00.  Unser Hotel hatte niemanden mehr, der uns so spät abholen kommt. Wären wir Gäste im Grandhotel wäre wohl eine Kutscher mit Butler gekommen. Auf alle Fälle ist das der lange Bergweg schon mal ein gutes Training für den morgigen Ski-Tag.


Sonnentag mit Live-Musik im Sunneegga

Während dem köstlichen Frühstück mit Blick aufs Matterhorn diskutieren wir die weitern Schritte. Doch nun sehen wir wie komplex unsere Situation ist. Der Berg lockt. Nun müssen wir wieder zurück nach Täsch ins Parkhaus, um unsere Ski-Ausrüstung zu holen. Wir starten mit unseren Wanderschuhen, gehen den ganzen Weg wieder zurück, fahren mit dem Zug nach Täsch und mit dem sperrigen Gepäck zurück. Um 13:00 stehen wir vor der Talstation, die uns nach «Sunneegga» bringen wird. Dort singt nämlich Ansa Sauermann, ein junger deutscher Sänger. Die Skier haben wir mit Helm und allem dabei.

Wir werden aufgeklärt, dass es zwei verschiedene Tarife gibt: Den für Wanderer und den für Skifahrer.  Der Wanderer-Tarif ist wesentlich günstiger.  Oder wollen wir wirklich Fr. 200.- zahlen? Nein, das tun wir nicht. Wir entschieden uns für die Wanderer-Variante und bezahlen so nur die Hälfte. Ich hatte beim Bestellen noch meinen Skihelm auf, was die Kassiererin irritierte. Ebenso wollte meine Liebste nur eine einfache Bergfahrt buchen, was sie ignorierte. Denn wer läuft den ganzen Weg im Winter wieder ins Tal zurück auf verschneiten Hügeln? Niemand. Wir fahren also mit allem unserer grossen blauen IKEA-Tasche mit allen Klamotten nach Sunneegga hoch, mit Skiern und Skischuhen. Damit füllten wir ein ganzes Abteil nach oben. Bevor ans Livekonzert gehen danach gleich deponieren wir die übrigen Klamotten. Auf der offenen Restaurant-Terrasse herrscht fröhliche Stimmung. Mit einem Glas Bier, Cola und Hamburger wippen wir im Takt mit. Nach dem schönen Event kehren wir leichtfüssig zurück. Nun die Gretchen-Frage: Wollen wir «gesetzeswidrig» unsere Skier anziehen und direkt runterbrettern oder mit dem gekauften Wanderticket wie vorgesehen mit der Bahn runterfahren? Wir haben uns für die sportliche Variante entschieden und fuhren mit unseren Jeans runter. Die Skihose und Wanderschuhe lassen wir noch oben im Schliessfach. Wie sollten wir alles mitnehmen? Am Abend wurde uns klar, dass der morgige Tag genau so kompliziert weiter geht. Denn wir möchten am nächsten Tag zur Glacier Paradise Bergstation auf der andern Talseite. Wir werden eine Lösung finden. Heute Abend besuchen wir das Live-Konzert von Ami Macdonald.


Skitag auf dem Gletscher Paradise

Frühmorgens weckt uns die strahlende Frühlingssonne. Das Frühstück ist reichhaltig und mit Matterhornkulisse einfach unschlagbar. Wir planen den heutigen Tag und registrieren schnell, dass auch dieser Tag eine organisatorische Herausforderung wird. An dieser Stelle zeigt sich wieder einmal, dass Humor ein Geschenk ist. Christine bekommt nämlich einen Lachanfall, von dem sie sich kaum erholen kann. Ihr Lachen ist ansteckend. Niemand im Raum, weiss, was so lustig ist. Humor ist eine gute Art Stress zu überwinden.

Heute möchten wir nämlich die Chance nutzen, ganz nach oben ins Skigebiet zum Glacier Paradise auf 3800m hoch zu fahren und wieder einmal richtig schön Ski zu fahren. Doch unsere Skiklamotten sind auf der falschen Talseite deponiert, und das erst noch auf der Bergstation. Das heisst wir müssen wieder die ganze Strecke zurück ins Dorf gehen und wieder zum Sunneegga hochfahren und wieder runter. Mit den schweren und unbequemen Skischuhen ist das eine Tortour. Christine erinnert sich, dass wir unsere Badelatschen mit grossem roten M dabeihaben, ein Geschenk der Migrosbank. Das M könnte ja auch für Matterhorn stehen, oder nicht? So fuhren wir also mit dem E-Büschen wieder ins Dorf runter und mit der Bergbahn wieder hoch. Ich versuchte meine Badelatschen unter dem Sitz zu verstecken.

Erneut müssen wir an der Talstation ein Ticket lösen, diesmal ein ganz normales Tageskarte für sage-und-schreibe Fr. 100.—pro Person. Wir holen also rasch die Klamotten und von der Bergstation runter und suchen nach den am Vortag deponierten Skiern. Meine Skier waren vorschriftsgemäss abgeschlossen, doch die von Christine waren nirgendwo verschweunden. Wir hatte am Vortag leider kein Ticket mehr dafür und stellten sie einfach nur so in den Rechen. Ein Drama bahnte sich an. Doch zum Glück haben die Bahnangestellten ihre Skier vorne neben der Kasse deponiert. Bevor wir starten, müssen wir erneut für unsere Ausrüstung erneut deponieren. Wir finden gleich vis a vis ein Sportgeschäft, die sie gratis aufbewahren. So etwas geht nur mit Christines umwerfenden Charme.

Und endlich beginnt der Weg zum schönsten Skigebiet der Alpen. Nach einer ¾ stündigen Bergfahrt in einer «Erstklasse»-Kabine setzen wir uns oben ins Panorama-Restaurant. Ein herrlicher Rundblick auf die 4’000er Berge ringsum.

Nach einem genussvollen Skitag bei Sonne und langem Restaurantbesuchen kommen wir am Nachmittag schliesslich müde und zufrieden im Dorf an. Wir gehen wieder zum Sportgeschäft zurück und holen unsere Kleider für den Abend. Den Rest können wir im Geschäft lassen, damit wir sie am morgigen Rückreisetag nicht mehr weit schleppen müssen.


Wo ist der Helm?

Um 10:00 brechen wir auf. Gemütlich gehen wir zur E-Bus-Station und steigen wieder vor dem Sportgeschäft aus. Ich hole beim Bahnhof Zermatt einen Gepäckwagen und laufe zurück und lade und stopfe alle Sachen zusammen mit Christine drauf. Und nun geht’s holprig zurück zum Bahnhof. Wir fahren diesmal über die Furka zurück. Wir müssen verladen. Alles läuft reibungslos. In Zürich hat es ein wenig Stau. Um ca. 15:00 sind wir bereits zu Hause.

Doch wo ist Beats Skihelm? Wo sind seine Handschuhe? Die müssen noch im Geschäft liegen geblieben sein. Tatsächlich war es so. Die freundlichen Ladenbesitzer werden uns den Helm und Handschuhe am nächsten Tag gratis zurücksenden.


Quintessenz

Wir denken und planen viel, vielleicht manchmal etwas zu viel, sicher mehr als der Durchschnitt es tut. Das macht das Leben «interessant» und oft abenteuerlich. Zum Glück kommt immer alles gut, wegen unserer Flexibilität. Ein unvergesslicher Zermatt-Urlaub wird es bleiben.